Frau Dr. med. Schlaich von der Hafenpraxis Hamburg war beim Deutscher Betriebsärztekongress 4.-7-10. 2023 in Freiburg als Expertin für Arbeits- und Schifffahrtsmedizin Teil eines Panels über Arbeitsmedizin International und hat dort über die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes und Herausforderungen und Bemühungen für bessere Arbeitsbedingungen in der Seefahrt referiert.
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Dr. med. Clara Schlaich, MPH (Johns Hopkins U./USA)
Der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit ist unstrittig, das gilt auch für die Auswirkungen des globalen Handels. Das 2023 in Kraft getretene „Lieferkettengesetz“ betrifft mittelständische und große Unternehmen ab 1000 Beschäftigte und bietet neue Chancen für sichere und gesunde Arbeitsbedingungen weltweit.
Im Jahr 2021 veröffentlichten die Internationale Arbeitsagentur (ILO) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals einen gemeinsamen Bericht zu arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken (WHO/ILO Joint Estimates of the Work-related Burden of Disease and Injury 2000-2016).
Darin stellen die UN Organisationen fest, dass der bedeutendste Risikofaktor für arbeitsbedingte Todesfälle lange Arbeitszeiten sind (≥ 55 Stunden/Woche). Gefolgt von beruflicher Exposition gegenüber Feinstaub, Gasen und Dämpfen und gegenüber Asbest-, Dieselgasen und Allergenen. In Bezug auf gesundheitliche Einschränkungen (DALY) sind auch Gehörschaden durch Lärmexposition häufig.
Wichtigste berufsbedingte Todesursache weltweit sind nach dieser Analyse die COPD, gefolgt von Schlaganfällen, koronarer Herzerkrankung (überlangen Arbeitszeiten zugerechnet) und Krebserkrankungen. Häufigste Ursache von Arbeitsunfällen weltweit sind Verkehrsunfälle, auch von Fahrradfahrern und Fußgängern, Stürze und Ertrinkungsunfälle. Auch Todesfälle durch Tierkontakt, insbesondere Schlangenbisse spielen eine Rolle.
Folgerichtig benennen ILO/WHO als wichtigsten Arbeitsschutzmaßnahme die Begrenzung der Arbeitszeit auf maximal 48 Stunden/Woche als weltweiten Arbeitsschutzstandard.
Eine exemplarische globale Arbeitswelt ist die Schifffahrt, schon immer gefährlich, trotz der Vielzahl von internationalen und nationalen Regeln zur Schiffssicherheit.
Arbeitsbedingte Risiken in der Seefahrt sind physikalische Faktoren wie Lärm, Vibration, Schiffsbewegungen, UV-Strahlung, schweres Heben und Tragen, Arbeiten in Höhen, Rutsch- und Stolpergefahren und Exposition gegenüber Dieselgasen. Eine große Bedeutung für das Wohlbefinden und die Schiffssicherheit haben psychische Belastungen durch lange Arbeitszeiten, fehlende Trennung von Arbeit- und Freizeitort, Trennung von der Familie, Konflikte im Team durch multikulturelle Crew und strenge Hierarchien. Seit der Coronapandemie hat sich das Problem der mangelnden Erholungsmöglichkeiten durch untersagten Landgang verschärft. Extreme Belastungssituationen wie Piraterie, Flüchtlingsrettung, Havarien oder Todesfälle an Bord sind jederzeit zu befürchten (Oldenburg, Baur, Schlaich, Journal of Occupational Health, 2010). Häufigste Behandlungsanlässe an Bord sind respiratorische Infektion, Unfälle bei der Besatzung an Deck führt zur Seedienstuntauglichkeit (Bilir (..) Harth, Oldenburg et al, BMC Public Health 2023).
Mit dem Seearbeitsübereinkommen 2006 (IMO/ILO) wurden Grundrechte der Seeleute festgeschrieben, u.a. eine Begrenzung der Arbeitszeiten, Recht auf Landgang und zu medizinischer Versorgung in den Häfen.
Trotz dieser Fortschritte bleibt die Seefahrt einer der belastendsten Berufe mit weiterhin großen sozialen Unterschieden in der Vertragsgestaltung nach Herkunftsländern. Inzwischen kämpft auch die globale Schifffahrt mit einem Fachkräftemangel, Armutsbekämpfung, politische Stabilität und Ausbildungsmöglichkeiten in den Herkunftsländern der Seeleute werden wichtiger, um ausreichend Personal für die spezialisierte Schifffahrt zu rekrutieren.
Eine andere politische Initiative mit unmittelbarer Auswirkung für die Gesundheit der Seeleute ist die Decarbonisierung der Schiffe mit dem Ziel einer möglichst zügigen Umstellung auf kohlenstofffreie Antriebe.
Erst in den letzten Jahren ist die illegale Schiffsabwrackung in Ländern wie Indien oder Bangladesh in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Das shipwreckingist durch die Exposition gegenüber Asbest, Blei, Kadmium, Arsen, Zink, Chrom und Ölen hochgefährlich. Inzwischen werden Arbeitsschutz- und Umweltstandards in der Schiffsabwrackung diskutiert und Reedereien können sich nicht mehr klammheimlich der Verantwortung für ihre Schiffe durch Verkauf an Abbruchunternehmen entziehen.
Mit dem neuen Bewusstsein für die globale Gesundheit und Klimagerechtigkeit ist es notwendig, dass sich die Arbeitsmedizin mit dem speziellen Fachwissen zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit auch im internationalen Kontext einbringt. Think global!
Dr. med. Clara Schlaich (MPH /Johns Hopkins U/USA)
Fachärztin für Arbeitsmedizin und für innere Medizin /Infektiologie
Hafenpraxis Dr. schlaich & Dr. Beyer, Hamburg
www.hafenpraxis-hamburg.de
Honorarkonsulin der Republik Malawi
Präsidentin Deutsche Seemannsmission